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Dez, 2019

Lesung von Zeitzeugin Eva Sternheim-Peters

Lesung von „Habe ich denn alleine gejubelt? – eine Jugend im Nationalsozialismus“ von Eva Sternheim-Peters im November

Am 29. November 2019 war es in der Schulbibliothek der Heinrich von Stephan-Schule bis auf interessierte Fragen der Schülerinnen und Schüler mucksmäuschenstill. Beinahe drei Stunden hörten knapp 55 aus der Mittel- und Oberstufe der 94-jährigen Eva Sternheim-Peters gebannt zu. Die einstige Lehrerin, studierte Psychologin und Autorin las Auszüge aus ihrem vor mehr als 30 Jahren erstmals in einem kleinen linken Verlag unter dem Titel „Zeit der großen Täuschungen“ publizierten und 2015 im Europaverlag neu aufgelegten Buch „Habe ich denn alleine gejubelt – eine Jugend im Nationalsozialismus“, in dem sie mal autobiografisch, mal durch historische Einordnungen die Frage verhandelt, wie ihre Generation sich von der Ideologie der Nationalsozialisten täuschen lassen konnte.

Denn eins machte die Zeitzeugin, die ihr Leben der Aufarbeitung der für sie prägenden Nazizeit gewidmet hat und sich seit den 70er Jahren in der Flüchtlingshilfe engagiert, in dem an die Lesung folgenden Zeitzeugengespräch deutlich: Sie, die bei der Machtergreifung sieben Jahre alt war, bald eifrig im Winterhilfswerk mithalf und den Nationalsozialismus als eine soziale, nationale Bewegung betrachtete und nicht mitlief, sondern begeistert mitstürmte, gehörte damals nicht zu einer Minderheit Verblendeter oder angstvoll schweigender Mitläufer, sondern zur Mehrheit im Land.

Die Schüler stellten der Zeitzeugin nicht nur kritische Fragen zu ihrer damaligen Ideologie, sondern fragten sie auch, was sie davon hielte, dass sich die Grenzen des Sagbaren derzeit wieder immer mehr verschöben. Genauer, was sie davon hielte, dass Politiker im Bundestag heutzutage frei fordern könnten, man solle Menschen an den Grenzen zur Not mit Gewalt fernhalten oder Menschen mit anderen Vorstellungen jagen, ohne für solche offenen Aufrufe zur Gewalt juristisch belangt zu werden. Die Zeitzeugin antworte auf die Frage: „Bestimmt dasselbe wie Du: Das ist furchtbar und macht mir Angst. Da bin ich froh, dass ich nicht mehr so lange lebe, noch einmal Ähnliches erleben zu müssen.“ Sie machte den Schülerinnen und Schülern aber auch Hoffnung: Im Gegensatz zu der jungen Demokratie der Weimarer Republik hielte sie die Demokratie in Deutschland für gefestigt.

von Eva-Lena Lörzer